Jung, DMS & Sie! - Mai 2023
„Zeitenwende“ wurde von der Gesellschaft der deutschen Sprache zum Wort des Jahres 2022 gewählt. Ursprünglich im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine genannt, traf Zeitenwende im vergangenen Jahr durchaus auch auf die Kapitalmärkte zu. Die Entwicklung war geprägt vom Ausbruch des Kriegs in der Ukraine, der folgenden Energiekrise und den ausufernden Teuerungsra- ten sowie von den Notenbanken, die weltweit mächtig auf die Zinsbremse traten. Entsprechend verloren der DAX und der Euro Stoxx 50 rund zwölf Prozent, der US-amerikanische Technologie-Index Nasdaq Composite kam sogar mit minus 33 Prozent unter die Räder. Die neue „Generation Aktie“, die in der freud- und kontaktlo- sen Pandemiezeit mithilfe von smarten App-Angeboten von Neobrokern den eigenen Börsengang gewagt hat, erlebte also erstmals so etwas wie eine Börsenkrise. Doch die Angst, das zarte Pflänzchen „Aktienkultur“ könnte hierzu- lande schon wieder am Verdorren sein, war offensichtlich unbegründet – im Gegenteil. Kaufen, wenn die Kanonen donnern Die Deutschen orientierten sich im vergangenen Jahr of- fensichtlich am Bankier Carl Mayer von Rothschild, dessen Motto Anfang des 19. Jahrhunderts schon war: „Kaufen, wenn die Kanonen donnern“. Dr. Christine Bortenlänger, Chefin des Deutschen Aktieninstituts (DAI), bestätigt: „Neu- aktionäre haben die Kurskorrekturen für den Einstieg in den Jung, DMS & Sie! / WISSENSWERT Aktienmarkt genutzt, während erfahrene Anlegerinnen und Anleger investiert blieben.“ Laut DAI ist die Zahl der Aktienanleger in Deutschland – direkt oder über Aktien- bzw. Indexfonds – im vergangenen Jahr um rund 830.000 auf 12,9 Millionen gestiegen. Damit wurde der Rekord aus dem Jahr 2001 knapp übertroffen. Nach dem damaligen Platzen der Internetblase an der Börse war die Zahl der Aktionäre bis 2010 auf 8,4 Millionen zurück- gegangen. Börsencrashs bergen normalerweise die Gefahr, dass eine ganze Generation zu Aktienmuffeln wird. Nach dem Zusam- menbruch des Neuen Marktes kurz nach der Jahrtausend- wende und während der Finanzkrise schmähten viele Deut- sche die Börse als reine Zockerbude. Doch vieles spricht dafür, dass sich die Aktienkultur gerade grundlegend ändert. Die jüngere Anlegerkohorte erhebt nicht ein einzel- nes Wertpapier zur „Volksaktie“, wie es beispielsweise die Eltern mit der T-Aktie taten. Stattdessen setzt die Mehrzahl der Anleger auf breit aufgestellte Aktien- oder Indexfonds. So hatten im vergangenen Jahr gut 10,5 Millionen Bundes- bürger Aktien- oder Mischfonds im Depot – mehr als im bisherigen Rekordjahr 2001, das vom damaligen Hype um den Neuen Markt geprägt war. Während der Immobilien- und Finanzkrise sank die Zahl der Fondsanleger dann auf rund sechs Millionen. Zahl der Fondsanleger auf Rekordhoch (in Millionen, Quelle: DAI) 2,00 4,00 6,00 8,00 10,00 2000 2005 2010 2015 2020 9,77 10,53 7 Mai 2023
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