Flexibilität in der Praxis
Frau Vogel, Sie sind seit mehr als
25 Jahren in der Fondsbranche tätig.
Wie würden Sie sagen, hat sich der
Anteil von Männern und Frauen in der
Fondsbranche in den letzten Jahren
verändert?
Die deutsche Fondsbranche ist immer
noch durch Männer dominiert. Von na
mentlich 1021 aktuell aufgeführten und
in Deutschland zugelassenen Fonds
managern sind laut einer Recherche der
Fondsfrauen auf Basis von Morning
star-Daten immer noch nur 8,4 Prozent
weiblich. Auch wenn es eine leicht
positive Tendenz gibt, zeigt diese Zahl,
dass es noch viel Luft nach oben gibt.
Was war Grundlage Ihren Entschluss,
sich für die Fondsbranche als Arbeit
geber zu entscheiden?
Das war eine konsequente Entwicklung
imRahmen meiner beruflichen Lauf
bahn. Nach der Banklehre interessierte
mich die Vermögensberatung von priva
ten Kunden. Natürlich spielen in dieser
Beratung Investmentfonds eine wesent
liche Rolle. Als mir die Chance geboten
wurde, mich imRahmen eines großen
Projektes intensiver mit dem Fondsge
schäft zu beschäftigen, habe ich diese
Mitte der 90er ergriffen. Die Produkte,
das Geschäftsfeld und die Bedeutung
insbesondere für die Altersversorgung
haben mich seither fasziniert. Mit
zunehmender Verbreitung der privaten
Altersvorsorge werden auch die Bürger
in Deutschland auf renditestarke An
lageformen wie Investmentfonds nicht
verzichten können.
Welche Chancen bieten sich Absol-
ventinnen und Absolventen heute im
Bereich Asset Management?
Die Fondsbranche bietet vielfältige
Möglichkeiten für Absolventen der
unterschiedlichsten Disziplinen. Neben
Betriebswirtschaftlern sind für uns
Absolventen aus mathematischen Fach
richtungen ebenso interessant wie Juris
Beruf
&
Familie
ten oder Absolventen aus demDigitalen
Media Marketing. Die Branche wächst
und offeriert somit Chancen für Hoch
schulabgänger, sich aktiv im Fonds
management, in der Vermarktung, der
IT, imRisikomanagement oder in den
Kontrollabteilungen einzubringen.
Wie wichtig ist die Vereinbarkeit von
Beruf und Familie für Sie?
Die Vereinbarkeit von Beruf und Fami
lie hat in den zurückliegenden Jahren
immer mehr an Bedeutung gewonnen.
Die junge Generation an Mitarbeitern
fragt in den Bewerbungsgesprächen im
mer öfter, welche Möglichkeiten ihnen
ein Unternehmen bietet. Mich beschäf
tigt dieses Thema sowohl als Deutsch
landchefin als auch imRahmen meiner
Aktivitäten bei den Fondsfrauen sehr.
So habe ich zum Beispiel zu Beginn
dieses Jahres einen spannenden Vorstoß
gewagt und die Leitung des Bereichs
Institutional Sales mit einer Doppel
spitze besetzt. Julia Reher und Tobias
Löschmann, zwei bereits erfahrene
Vertriebskräfte, teilen sich seitdem die
Führung dieses wichtigen Bereichs.
Wie klappt es mit der Doppelspitze?
Sehr gut. Die beiden sind nun seit Ja
nuar 2015 gemeinsamHead of Institu
tional Sales. Und obwohl Frau Reher
mittlerweile in den Mutterschutz ge
gangen ist – sie war zum Zeitpunkt der
Ernennung im 7. Monat schwanger –,
tauschen sich die beiden regelmäßig aus
und halten sehr engen Kontakt, was ein
erfolgreiches Arbeiten ermöglicht. Ein
Vorteil war sicherlich, dass sich beide
durch ihre langjährige Tätigkeit bereits
sehr gut kennen und sie sich auch vorher
in verschiedenen Mandaten bei Kunden
gegenseitig vertreten haben.
Wie sieht es mit der Akzeptanz im Team
und bei den Kunden aus?
Insbesondere ihr extrem strukturiertes
Vorgehen und die klare Kommunika
tion untereinander sowie mit ihren Mit
arbeitern spielt hier eine wichtige Rolle.
Institutionelle Kunden sind ja eher
konservativ, aber auch hier hat die von
den beiden eingeführte Vorgehensweise
bei der Erarbeitung von Lösungen für
unsere Kunden zu sehr guter Akzep
tanz geführt. Die erzielten Mittelzu
flüsse des Teams sind die höchsten seit
Jahren, eine stärkere Bestätigung kann
man nicht erhalten.
Hatten Sie auch mit Widerständen
zu kämpfen?
Natürlich, wir mussten selbst innerhalb
der Organisation einiges an Überzeu
gungsarbeit leisten und das, obwohl
sich beide bereits durch ihre gute Zu
sammenarbeit und durch ihre Erfolge
einen guten Namen gemacht hatten.
Eine solche Doppelspitze ist nichts, was
in einer Organisation selbstverständ
lich ist, es wird schon zweimal mehr
nachgefragt.
Würden Sie sagen, dies ist ein
gelungenes Beispiel für mehr Flexibilität
in Führungspositionen?
An dieser Stelle möchte ich zunächst
betonen, dass Pioneer Investments
ein sehr modern aufgestelltes Unter
nehmen ist, was es erst ermöglicht,
solch ungewöhnliche Lösungen auf
Führungsebene zu erwägen. Pioneer
hat meines Wissens für die Branche
einen überdurchschnittlich hohen
Frauenanteil in Führungspositionen.
Beispielsweise hat Pioneer Italien mit
Cinzia Tagliabue ebenfalls eine weibli
che CEO, und auch ihre Vertriebschefin
ist eine junge Frau und Mutter eines
zweijährigen Sohnes – dabei sollte
nicht vergessen werden, auch in Italien
sprechen die Zahlen für sich! Dies sind
Aspekte, die uns natürlich positiv in
die Hand gespielt haben.
Jung, DMS & Sie. / MENSCHEN & MACHER
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Oktober 2015